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Die Brennnessel

Die Brennnessel – alles andere als ein “Unkraut”  - die Heilpflanze des Jahres 2022

Jeder kennt sie und so manch einer hat schon schmerzhafte Bekanntschaft mit ihr gemacht. 

Warum brennt die Brennnessel überhaupt und wieso ist sie angeblich so gesund und dann auch noch ein Lebensmittel?

Zur Familie der rosenartigen Brennnesselgewächse (Urticaceae)gehörend gibt es etwa 45 Arten, die 

an Wegen, Böschungen, Flussufern, im Garten, an Waldrändern und auf Wiesen zu finden sind. 

Durch das weit verzweigte Wurzelwerk bleibt sie auch nach dem Jäten weitgehend im Erdreich und läßt schnell wieder junge Triebe empor sprießen. 

Die Blütezeit liegt zwischen Juli und Oktober und die Wuchshöhe kann schon mal anderthalb Meter erreichen. 

 

Doch Warum “brennt” die Brennnessel eigentlich?

Es sind diese Härchen, die bei Berührung das schmerzhafte Brennen sowie die darauffolgenden Schwellungen verursachen. 

Sie bestehen aus einer kleinen Röhre, die aus dem Blatt ragt und einer äußerst zerbrechlichen sowie scharfen Spitze aus verhärteter Kieselsäure. Die Röhrchen sind gefüllt mit einem Cocktail aus Acetylcholin, Ameisensäure, Histamin, Serotonin und Natriumformiat, dem Salz der Ameisensäure.

Die Kieselsäure-Spitzen der Brennnessel sind so zerbrechlich, dass die kleinste Berührung ausreicht,

sie zum Splittern zu bringen. Dabei verletzen sie die obere Haut sehr leicht aber doch so, dass das herausspritzende Brennnessel-Sekret ungehindert eindringen kann. 

Was dann folgt, passiert in Bruchteilen weniger Sekunden: Die Ameisensäure wirkt ätzend, der Entzündungsbotenstoff Histamin setzt Schwellungen in Gang und löst einen Juckreiz aus. Das Gewebshormon Serotonin aktiviert das Schmerzempfinden, während Acetylcholin, ein weiterer Neurotransmitter, der auch im Hornissengift vorkommt, als Schmerzverstärker wirkt. 

Zum brennenden Jucken bilden sich auch noch  Quaddeln, die über Tage erhalten bleiben können. Damit bildet das Brennnessel-Sekret einen wirksamen Selbstschutz der Pflanze gegen Fressfeinde, ist jedoch für den Menschen zwar unangenehm aber keine Gesundheitsgefährdung.

In unmittelbarer Nachbarschaft zur Brennnessel gibt es meistens auch schon schnelle Hilfe, denn häufig  findet man hier Ampfern, deren zerdrückte Blätter können die Folgen des Brennnessel-Sekretes etwas lindern.

Zum Pflücken der Pflanze empfiehlt sich gleich robuste Gartenhandschuhe anzuziehen und auch auf eine dicht abschließende Bekleidung einschließlich fester Schuhe zu achten. 

Die Brennhärchen lassen sich entschärfen, indem die Blättchen zwischen zwei Tüchern gelegt werden, auf die durch ein Nudelholz ein leichter Druck stattfindet. Werden die Brennnesseln durch Erhitzen weiterverarbeitet, ist dieser Schritt nicht erforderlich.

 

Nutzung und Anwendung der Brennnessel

Die Brennnessel war als Heilpflanze bereits in der Antike beispielsweise als Mittel zur Blutreinigung bei Hippokrates von Kos, im Mittelalter als Mittel gegen rheumatische Beschwerden  unter anderem bei Hildegard von Bingen, in der TCM, der tibetischen Heilkunde, der indischen Gesundheitskunde Ayurveda sowie der Heilkunde indianischer Völker in Nordamerika genutzt.

 

Auch heute sind ihre Extrakte aus Blättern und Wurzeln in  mehr als 100 Präparaten sowie zahlreichen Tees und Teemischungen oder als Pulver für Suppen und Smoothies zu finden und Unterstützen Gesundheit und Wohlbefinden.

 

Als entwässernder Tee werden die getrockneten Blätter mit kochendem Wasser übergossen und ziehen etwa 10 Minuten. 

Für eine Kur sollten täglich drei bis vier Tassen getrunken werden.

 

Brennnesseln sind außergewöhnlich eiweißreich! Als Spinat zubereitet stechen sie übrigens nicht mehr.

Wichtig dabei ist, Blätter zu verwenden, die von 20 bis 30 Zentimeter hohen Pflanzen stammen und vor der Blüte geerntet wurden. 

Später bekommen sie einen bitteren Geschmack und werden faserig.

Aus den reifen Samen kann zudem ein ausgezeichnetes Speiseöl mit hohem Gehalt an Vitamin E, Chlorophyll und Phytosterinen, dem pflanzlichen Pendant zum tierischen Cholesterin, gewonnen werden. Aufgrund seines intensiven Aromas wird es aber nur beispielsweise mit Olivenöl verdünnt empfohlen.

 

Hinweis! Aufgrund ihres Histamingehaltes sollten Menschen mit Histaminunverträglichkeit Brennnesseln nicht verzehren. Eine Einnahme während der Schwangerschaft sollte nur nach ärztlicher Rücksprache erfolgen.

Ein weiterer Inhaltsstoff der Brennnessel ist das Cumarin Scopoletin. Cumarine sind einerseits äußerst angenehm duftende, aromatische sekundäre Pflanzenstoffe, andererseits jedoch in größeren Mengen verzehrt mit Gesundheitsrisiken verbunden. 

Weitere kritische Stoffe in der Brennnessel sind Pyrrolizidinalkaloide. Sie können wiederum in größeren Mengen und regelmäßig eingenommen zu Leberschäden führen. Bei beiden Stoffen gilt, dass die Konzentrationen in der frischen Brennnessel zu gering sind, als dass beim Verzehr realistischer Mengen Schäden auftreten könnten. Auch getrocknete Brennnesselblätter gelten als unbedenklich, 

wenn nicht mehr als etwa 12 Gramm täglich verwendet werden.

Lediglich Personen deren Herz- und Nierentätigkeit mit Ödemen als Folge eingeschränkt ist, sollten auf die Verwendung von Brennnesseln verzichten.

 

Brennnesseln im Garten

Beliebt ist die Verwendung von Brennnesseln auch im Garten. Die vielleicht leicht gehäckselten Pflanzen geben bei einer Kaltwasser-Extraktion innerhalb eines Tages ihre Kieselsäure frei. Das Mittel kann zur Pflanzenstärkung und zum Schutz vor vielen Schadinsekten verwendet werden.

 

Eine interessante und effektive Therapieform, die übrigens auch  wissenschaftlich erforscht ist,  ist das „Brennnesselpeitschen“. [3][4][5]

Menschen mit Arthrose leiden unter Bewegungseinschränkungen und Schmerzen. Bedingt sind die Beschwerden durch die Abnutzung der Gelenke. 

Betroffen sind besonders häufig die Kniegelenke. Um den Bedarf an Schmerzmitteln zu reduzieren, greifen viele Betroffene zu naturheilkundlichen Mitteln und Verfahren. Ein besonders altes Verfahren ist das Betupfen oder Schlagen der Gelenke mit frischen Brennnesseln. Dabei gelangt der Inhalt der Brennhaare unter der Haut. Acetylcholin und Histamin verstärken lokal die Durchblutung. Die verstärkte Durchblutung kann die Muskulatur entkrampfen, die Beweglichkeit erhöhen und sich positiv auf Entzündungsprozesse auswirken. Der gesteigerte Zustrom an Blut spült zudem entzündungsfördernde Stoffe aus dem Gelenk.

In mehrere Studien zeigte das Brennnesselpeitschen positive Effekte bei Gelenksarthrose. [3][4][5]

Hinweis! Bezüglich der Unbedenklichkeit des Brennnesselpeitschens liegen noch keine Studien vor. Es sollte nicht auf verletzter oder erkrankter Haut erfolgen. Wer unter allergischen Erkrankungen leidet, sollte Brennnesselpeitschen nur nach ärztlicher Rücksprache anwenden.

 

Literatur

[3] Randall C, Meethan K, Randall H et al. Nettle sting of Urtica dioica for joint pain–an exploratory study of this complementary therapy. Complement Ther Med. 1999 ; 7: 126–31. DOI: 10.1016/s0965-2299(99)80119-8

[4] Randall C, Randall H, Dobbs F et al. Randomized controlled trial of nettle sting for treatment of base-of-thumb pain. J R Soc Med. 2000; 93: 305 –9. DOI: 10.1177/014107680009300607

[5] Randall C, Dickens A, White A et al. Nettle sting for chronic knee pain: a randomised controlled pilot study. Complement Ther Med. 2008; 16: 66 –72. DOI: 10.1016/j.ctim.2007.01.012